Im Zuge der CeBIT 2016 haben wir mit Dr. Markus Bremkamp ein Perspektivgespräch führen können. Dr. Markus Bremkamp, 49 Jahre alt, ist Geschäftsführender Gesellschafter der ab-data GmbH & Co. KG, dem momentan einzigen webbasierten Anbieter eines kommunalen Finanzwesen. Im Unternehmen ab-data ist er seit 1998 tätig.
Sehr geehrter Herr Dr. Bremkamp, ab-data ist momentan einer der wenigen Anbieter einer webbasierten kommunalen Lösung. Andere Anbieter haben angekündigt nachzuziehen. Wo sehen sie neben einer eventuellen Unabhängigkeit von Plattformen und Betriebssystemen einen Vorteil?
Dr. Bremkamp: Der größte Vorteil liegt in der Verfügbarkeit der Daten. Interessanterweise spielt die Doppikeinführung hierbei eine entscheidende Rolle. Denn sie zwingt uns zu ganzheitlichem Denken und Handeln, sei es im Zuge dezentraler Ressoucenverantwortung, der Konsolidierung von Tochterunternehmen, der kostenrechnerischen Zeit- und Leistungserfassung oder bei Inventuren im Außendienst. Daneben hat sich ein gesellschaftliches Grundbedürfnis nach Mobilität entwickelt, bei dem immer mehr Personen jederzeit auch per Smartphone oder Tablet online auf Informationen zugreifen wollen. Dies gilt auch für Bürgermeister, Räte, Rechnungsprüfer, Geschäftsführer oder Kämmerer. Die Umsetzung kann ich jedoch nicht mehr mit Client/Server-Technik bewerkstelligen, das geht nur noch mit innovativer Webtechnologie.
Wenn viele Web hören, dann stöhnen Sie über ständige bekannt werdende Sicherheitslücken in Browsern oder zähes Verhalten von dem was sie als Web kennen. Wie argumentieren Sie dagegen und überzeugen die Kunden, das Web ein Fortschritt ist?
Dr. Bremkamp: Das Web nutzen wir mittlerweile in nahezu allen Lebenslagen, sei es zum Informationsgewinn, für soziale Kontakte oder auch Rechtsgeschäfte. Dafür sind wir bereit, wie auch bei anderen Technologien, uns entsprechend auszustatten und abzusichern. Der Fortschritt des Webs ist so offensichtlich, dass diese Entwicklung auch vor den Kommunen nicht Halt machen wird. So erlauben uns Webtechnologien im Gegensatz zu Client/Server-Lösungen eine nahezu unbegrenzte Flexibilität an Nutzungsarten – und das ohne proprietäre Terminal-Server-Emulationen wie MS-TS oder Citrix. Die Kunden können weiterhin ihre eigene IT betreiben, sie können sie aber z.B. optional auch durch uns online administrieren lassen oder aber die gesamte IT mit Administration an einen unserer Webhostingpartner auslagern. Der Endanwender braucht jeweils nur einen marktgängigen Browser. Und ob der Endanwender dabei im vertrauten Intranet sitzt oder aber über verschlüsselte Leitungen von außen über das Internet oder ein Landesdatennetz aus Tochterunternehmen, Außenstellen, Heimarbeitsplätzen oder dem übergeordneten Rechnungsprüfungsamt zugreift, entscheidet jede Verwaltung selbst in Abhängigkeit vom individuellen Sicherheitsbedürfnis und technischen Gegebenheiten. Wir beraten dabei unsere Kunden umfassend über die Anforderungen und Perspektiven – auch zum Thema Sicherheit.
Webbasiert impliziert auch Standortunabhängigkeit? Leider ist der viel propagierte Breitband-Ausbau in Deutschland eher stotternd und rückständig gegen beispielsweise Skandinavien. Wird in Deutschland zu zögerlich investiert?
Dr. Bremkamp: Der Breitbandausbau ist kein einmaliges, sondern ein kontinuierliches Projekt. Zugleich ist er ein wichtiger Standortfaktor im weltweiten Wettbewerb. Auch wenn sich jeder mehr wünscht: alles in allem erfolgt der Ausbau zügig, auch in ländlichen Regionen. Erleichternd kommt hinzu, dass wir für die Nutzung unserer Webfinanzsoftware bei kleineren Verwaltungen derzeit selbst bei Bandbreiten von 4.000 bis 6.000 ADSL mit einem ggf. komplett ausgelagerten Betrieb (z.B. bei interkommunaler Zusammenarbeit) eine gute Performanz erreichen. Dies gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, dass in den meisten Verwaltungen die Power-User ja im Intranet arbeiten und hierfür ein Vielfaches an Bandbreiten zur Verfügung steht. Insofern haben wir mit Ausnahme beim Einsatz mobiler Datenkarten noch keinen Fall gehabt, wo der dezentrale Einsatz unserer Weblösung an schlechten Bandbreiten gescheitert ist.
Die Kommunen stöhnen – Doppik, SEPA, eGoverment, eRechnung? Ständig stürzen neue gesetzliche Aufgaben auf die Kommunen ein. Bringen diese wirklich Vorteile oder haben Sie Verständnis wenn die Kommunen sagen, sie sind überfordert, sowohl inhaltlich als auch finanziell?
Dr. Bremkamp: Natürlich darf gestöhnt werden. Ich vermisse dabei aber den Verlust ganzheitlichen Denkens. Hier sehe ich auch die zahlreichen Kommunalberater im Markt in der Pflicht. Statt des vielleicht finanziell attraktiveren, einzelfallbezogenen Projektierens jeder Anforderung wäre es wünschenswert, die Kommunen strategisch auf die gemeinsame, technologische Dimension aller Anforderungen auszurichten. Und die lautet nun einmal Digitalisierung mit Webtechnologie. Statt dessen schreiben einzelne Berater immer noch Client/Server-Technologie als Ausschlusskriterium in ihre Pflichtenhefte. Da werden die betroffenen Kommunen nicht nur schlecht beraten, sondern regelrecht für dumm verkauft. Diese sollten sich dann aber auch bitte nicht beschweren, sie wären mit den vielen Anforderungen überfordert. Und diese sollten sich dann auch nicht wundern, wenn sich nun der Gesetzgeber dieses „Marktversagens“ annimmt und die durchaus effizienzsteigernden Aufgaben legislativ vorgibt. Das ist legitim und im Zuge europäischer Harmonisierungs- und Innovationsbestrebungen auch sinnvoll.
Ein sehr strittiges Thema ist die Doppik. Bundesländer wie Baden-Württemberg harren aus und haben zuletzt die Frist auf 2020 verschoben, in einigen Bundesländern diskutiert man darüber, den Doppik-Zwang abzuschaffen? Was bringt die Doppik außer immensen Kosten für die Kommunen, alleine für die Bewertung der kommunalen Güter? Ist die Doppik tatsächlich der große Sprung oder haben die Kommunen recht, die weiter in der Kameralistik verharren?
Dr. Bremkamp: Ich bin ein Freund der Ordnungspolitik. Sie gibt einen klaren Rahmen vor, innerhalb dessen sich die Marktteilnehmer zu orientieren haben. Diesen Rahmen hat die Innenministerkonferenz 2003 in Jena mit der Einführung der Kommunalen Doppik gesetzt. Diese ist ein sachgerechter Kompromiss zwischen Kameralistik und Doppik, welche wir mit unserem Forschungs- und ab-data Softwareansatz der sog. „Sanften Doppikmigration“ 1:1 umgesetzt haben. Wird ein ordnungspolitischer Rahmen zerstört, beginnen Marktteilnehmer sich irrational und unwirtschaftlich zu verhalten. Genau das ist passiert, als im Nachgang zu Jena die Länder den Föderalismus priesen und 16 verschiedenen Landeslösungen mit unterschiedlichen Umsetzungsterminen, Optionslösungen, Kontenplänen und Statistiken entstanden. Spätestens mit der politisch bedingten Rücknahme einzelner Einführungsbeschlüsse war der ordnungspolitische Rahmen endgültig zerstört. Das hat die vorausschauend agierenden Kommunen bestraft und bei fast allen Marktteilnehmer für Unsicherheit und unnötige Zusatzkosten gesorgt. Letztlich wird die Kameralistik überall durch die Doppik abgelöst werden – leider wird der Weg dahin dann unnötig lang und teuer gewesen sein.
Ein großes Problem in der kommunalen Verwaltung ist der Prozess- und Informationsaustausch zwischen den einzelnen Anwendungen. Im Schnitt setzt eine Kommune mehr als 10 verschiedene kommunale Fachverfahren ein, vom Finanzwesen, Bauhof, Kita, Feuerwehr, Meldeamt etc. Über allen thront das Finanzverfahren. Dennoch gibt es keinen technologisch sinnvollen Daten- und Prozessaustausch. Meist üblich sind veraltete Methoden wie Dateiaustausch. Welche Schritte geht ab-data dort, um dort einen bidirektionalen Kommunikationsfluss mit anderen Fachebenen und -Anwendungen zu schaffen?
Dr. Bremkamp: Bei der Vielzahl an Fachverfahren wird man nie alle Verfahren optimal anbinden können. Wir unterscheiden je nach Integrations- und Standardisierungsgrad drei Formen: Den standardisierten Datenaustausch (z.B. über XFinanz oder XMeld), den triggergesteuerten Datenbankaustausch und die Standardschnittstelle. Die standardisierten Austauschformate bieten wir gerne an, sie kränkeln als Kompromisslösung zu vieler beteiligter Marktteilnehmer leider oftmals an langwierigen Abstimmungsprozessen und fehlender Zielgenauigkeit. Wir präferieren daher bidirektionale Integrationslösungen auf Datenbankebene über sog. Trigger, die wir mit all unseren Systemhauspartnern wie HSH, Data-team oder Codia als festen Standard abgestimmt haben. Diese arbeiten zuverlässig und so professionalisiert, dass wir sie mit geringem Aufwand auch auf andere Hersteller transferieren können. Im ECM-/DMS-Bereich ist dies mit allen marktführenden Anbietern bereits geschehen. Und über diese ECM-Lösungen lassen sich dann verwaltungsweit Workflowprozesse auch zu sonstigen Fremdverfahren gestalten und optimieren. Es muss daher erstaunen, wenn einzelne Kommunen (oder ihre Berater) in Pflichtenheften eine vom Softwarehersteller eigenentwickelte ECM-Lösung fordern. Eine solche wird im Zweifel immer nur eine Insellösung für den Finanzbereich ohne Perspektive für das große Ganze bleiben.
Die Bundesregierung und die IT Beauftragen der Ländern schreiben immer ganz groß eGovernment auf die Agenda. Wie ist dem kleinen Sachbearbeiter damit geholfen oder anders gefragt, was kommt außer großen Vorschusslorbeeren am Ende an? Für den Sachbearbeiter sieht selbst eRechnung nach einer Verkomplizierung eines Geschäftsvorganges aus?
Dr. Bremkamp: Die Fragen erscheinen berechtigt, denn in der Tat profitieren weder Sachbearbeiter noch Bürger bisher in dem gewünschten Maß von eGovernment. Das liegt aber daran, dass immer noch zu viele Marktteilnehmer auf Client/Server- und noch nicht auf Webtechnologien setzen. Erst wenn der Sachbearbeiter die kommunale App für die Inventur oder die Zeit- und Leistungserfassung aktiv nutzt, kommt eGovernment bei ihm an. Erst wenn der Bürger online seine Zählerstände für Energie und Wasser online über einen Webdienst eintragen kann, erkennt er den Nutzen. Erst wenn das Ratsmitglied mit seinem iPad die Haushaltsplanung steuert und die Verwaltungsspitze per App die Finanzdaten sekundenaktuell auf das Smartphone holt, funktioniert eGovernment. Wir bieten alle diese Lösungen bereits an. Und da bekommt eGovernment dann plötzlich eine ganz andere, positive Assoziation.
Wie sehen sie die Zukunft der kommunalen IT Wirtschaft in den nächsten 5 bis 10 Jahren?
Dr. Bremkamp: Ich bin kein Prophet, aber wenn ich die Fakten sehe, ist die Vorhersage gar nicht so schwer. Die großen Technologielieferanten Oracle und Microsoft werden ihre Entwicklungsumgebungen für Client/Server weiter abkündigen und durch Webtechnologien ersetzen. Die neue Weblösung VOIS Meldewesen des Marktführers HSH wird dabei zu einer ebenfalls wichtigen Triebfeder im Markt – gerade auch für eGovernment-Anwendungen. Wer nicht in neue (Web-) Technologien investiert, wird wie vor ihm bereits Unix- oder Proprietärlösungsanbieter aus dem Markt verdrängt und durch neue Marktteilnehmer ersetzt. Dies können dann auch Webhostinganbieter sein, die in Konkurrenz zu klassischen Rechenzentren treten. Durch Weblösungen erhält interkommunale Zusammenarbeit einen nicht für möglich gehaltenen Aufschwung – auch gefördert durch regionale Funktional- und Gebietsreformen. Es erfolgt eine verwaltungsweite Vernetzung inkl. Datenintegration aller kommunalen Einrichtungen bis hin zu Schulen, Kindergärten, Bauhöfen und Tochterunternehmen. Die mobile Nutzung von Daten bei Sachbearbeitern und Bürgern wird zur Selbstverständlichkeit. Und: Da wir für alle diese Entwicklungen bereits heute passende Lösungen haben, sind wir guten Mutes, mit unserem ab-data Finanzwesen in der nunmehr vierten Technologiegeneration Web auch in 10 Jahren unser 50-jähriges Unternehmensjubiläum feiern zu dürfen.
Wir bedanken uns bei Dr. Markus Bremkamp für das Gespräch.