Nach wie vor herrscht Unklarheit im Land Brandenburg über das Personenstandwesen. Das Ministerium des Inneren hatte alle Kommunen über die Teilnahme an einer Ausschreibung für eine zentrale Hosting-Lösung des Personenstandwesens befragt. 175 von 176 Standesämtern erklärten ihre Zusage zu einer Ausschreibung Anfang September. Danach haben die Standesbeamten nie wieder etwas vom Ministerium des Inneren gehört. Dennoch drängt die Zeit: Das Land Brandenburg ist eines der letzten Bundesländer, welches keine Zukunftslösung für die Standesamt-Software Autista anbieten kann, damit verbunden ein steigender Mehraufwand schon ab dem 01.01.2012.
In einem Brief an die Standesämter in Brandenburg verwies nun der Geschäftsführer vom Städte- und Gemeindebund Brandenburg, Herr Karl-Ludwig Böttcher, auf die funktionierende Lösung der Stadt Cottbus.
In einem Interview mit kommunalaustausch.de stand uns Herr Böttcher für einige Fragen zur Verfügung.
zur Person
Karl-Ludwig Böttcher
(62 Jahre alt)
Städte- und Gemeindenbund Brandenburg
Geschäftsführer
im Amt seit Februar 1992
Telefon: 0331/ 74351- 0
EMail:mail@stgb-brandenburg.de
Sehr geehrter Herr Böttcher, die Brandenburger Standesämter sind verwirrt. So haben fast alle Standesämter im Herbst 2011 ihre Abnahmeverpflichtung zum Ergebnis einer Ausschreibung des Landes Brandenburg erteilt, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg ermutigt jetzt die Standesämter mit seinem Schreiben zur Teilnahme an der Cottbuser Lösung ? In wie weit sind Städte- und Gemeindebund und Ministerium des Inneren dort im Einklang ?
Das einvernehmliche Ziel des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg und des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg war es, eine landeseinheitliche Lösung für die 176 brandenburgischen Standesämter zu schaffen. Gesucht wurde ein zuverlässiges und bezahlbares kommunales Rechenzentrum, ermittelt durch eine ordnungsgemäß durchgeführte europaweite Ausschreibung. Unter dieser Voraussetzung sind wir im Juni 2010 in das gemeinsame Projekt unterstützend eingetreten.
Das Innenministerium hat noch bis April 2011 zum Ausdruck gebracht, an diesem Ziel festzuhalten. Wir haben stets auf eine schnelle Vorbereitung und Durchführung der Ausschreibung gedrängt, zuletzt im Juni 2011. Die vorhandene Zeit hat das Innenministerium leider nicht genutzt und die im Haushalt bis zu 510.000,- Euro eingestellten Haushaltsmittel (voraussichtliche Gesamtkosten auf insgesamt 6.560.000,- Euro beziffert und für die Haushaltsjahre 2012 und 2013 weitere Haushaltsmittel vorgesehen) zurückgestellt.
Ernüchtert festzustellen bleibt, dass das Innenministerium des Landes Brandenburg seit über drei Jahren an einer Lösung arbeitet und leider kein verwertbares Ergebnis, mit Ausnahme der Interessenabfrage, vorweisen kann. Unsere Mitglieder und wir können es uns nicht leisten, so zu arbeiten.
Zwischenzeitlich wurde in kürzester Zeit eine Lösung für alle brandenburgischen Standesämter in Cottbus aufgebaut, auf die wir aufmerksam gemacht haben. Wir ermutigen alle, das Angebot aus Cottbus zu prüfen!
Erfolgt überhaupt noch eine Ausschreibung vom Ministerium des Inneren im Land Brandenburg ? Wenn jetzt die Variante Cottbus favorisiert wird, wie weit steht das im Einklang mit dem Vergabe- und Ausschreibungsrecht an das die Kommunen gebunden sind. Es geht ja immerhin um größere Summen. Sind Klagen zu erwarten ?
Inwieweit das Land Brandenburg noch eine Ausschreibung plant, entzieht sich unserer Kenntnis. Wir könnten uns jedoch vorstellen, dass unter den neuen Voraussetzungen das Land die Ausschreibung nicht mehr finanzieren wird. Cottbus beabsichtigt, ein Angebot für alle brandenburgischen Standesämter zu schaffen. Das Vergabe- und Ausschreibungsrecht ist von allen Städten, Gemeinden und Ämtern selbstverständlich zu beachten. Zu der Frage der zu erwartenden Klagen können wir keine Aussage treffen.
Das Hickhack im Land Brandenburg verkommt zu einer lächerlichen Posse, obwohl das Land Brandenburg das einzige Bundesland ist, was mit Herrn Everding einen Landes-EDV-Beauftragen (CPIO) hat. Was läuft allgemein schief ? Wie kann das Land Brandenburg noch sein Gesicht waren ? Warum sind in vielen Bundesländern schon Lösungen vorhanden bzw. wird auch schon XPersonenstand verwendet, wären Brandenburg schon am Standort scheitert?
Wir würden uns wünschen, dass das Land zu dem von ihm selbst ins Leben gerufenen Projekt gestanden und es – wie geplant – umgesetzt hätte. Das Projekt stand lange Zeit finanziell auf gesunden Beinen. Die Projektleitung legte einen nachvollziehbaren und realistischen Zeitplan für die technische und organisatorische Realisierung vor. Erst mit Entscheidung vom Juni 2011 rückte das Innenministerium massiv von seinen Planungen ab. Damit geriet das gesamte Projekt ins Stocken und kam faktisch zum Stillstand.
Doch jammern hilft nicht! Jetzt gilt es schnellstmöglich Alternativen zu prüfen und Lösungen zu finden.
Wie weit gibt es Studien und Analysen, ob die Kapazität von Cottbus für die Aufnahme der Brandenburger Standesämter ausreicht ? Wer ist für die Sicherheit der Daten und die zuständigen Sicherheitskonzepte verantwortlich. Wie sollen die Gemeinden diese Lösung in ihre Entscheidung mit einbeziehen, wenn generelle grundlegende Informationen fehlen ? Bei einer solchen Lösung gibt es leider keinen zweiten Versuch….
Herr Kelch, Bürgermeister der Stadt Cottbus und Werkleiter des Kommunalen Rechenzentrum, berichtete am 26. September 2011 dem Präsidium des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg vom Aufbau des kommunalen Rechenzentrums Cottbus sowie dem künftigen Leistungsumfang. Der Aufbau elektronischer Personenstandsregister und Sicherungsregister gehören dazu.
Werden personenbezogene Daten im Auftrag einer Daten verarbeitenden Stelle (Auftraggeber) durch andere Personen oder Stellen (Auftragnehmer) verarbeitet, bleibt die auftraggebende Stelle gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Brandenburgisches Datenschutzgesetz für die Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes und anderer Vorschriften über den Datenschutz verantwortlich. Das erforderliche Sicherheitskonzept sollte jeder in seinem Zuständigkeitsbereich erarbeiten und sodann zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer gemeinsam erörtern. Das kommunale Rechenzentrum Cottbus wurde der Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht bereits vorgestellt, es gab unserer Kenntnis nach keine Beanstandungen.
Auf der Novembertagung des TUIV in Frankfurt (Oder) hieß es, die Basis für den Zugang zu Autista 9 ist der Anschluss ans LVN kommunal. Realistisch werden die letzten Kommunen diesen Anschluß erst frühestens im Sommer 2012 haben. Gibt es eine reelle Chance für die Brandenburger Standesämter eine Lösung zu Autista 9 im Jahr 2012 zu bekommen?
Für den Zugang zum zentral gehosteten Fachverfahren können zweierlei Wege genutzt werden, LVNkommunal und – sofern LVNkommunal noch nicht verfügbar sein sollte – eine verschlüsselte Verbindung über das Internet.
Schon jetzt ist ab 2012 der Aufwand für die Standesämter gestiegen, weil die Meldungen für die Bundesnotarkammer per Hand gemacht werden müssen. Der Verlag für Standesamt verweigert eine Einarbeitung in Autista 8. Laut unseren Schätzungen ein Mehraufwand von 10 bis 15 Minuten pro Sterbefall. Warum setzt sich dort keiner für die Brandenburger Standesämter ein? Die Standesbeamten müssen leiden, weil das Land Brandenburg keine Lösung anbieten kann.
Der Verlag für Standesamtswesen pflegt die jeweils aktuelle Version seines Fachverfahrens. In der Projektgruppe haben wir frühzeitig und wiederholt auf den bestehenden Handlungsdruck aufgrund der geänderten Gesetzeslage hingewiesen. Durch den neuen Lösungsansatz bzw. die Prüfung alternativer Angebote scheinen jetzt Lösungen im Jahr 2012 realisierbar. Eine jetzt erst durchzuführende europaweite Ausschreibung würde eine gemeinsame Lösungsfindung weiter verzögern.
Hätten Sie Verständnis, wenn einige Standesämter sich nach dem Hickhack für Lösungen in anderen Bundesländern interessieren, bspw. aus Thüringen ?
Sofern heute brandenburgische Standesämter in andere Bundesländer ausweichen, hat dies allein das Ministerium des Innern des Landes Brandenburg zu verantworten!
Sehr geehrter Herr Böttcher, wir bedanken uns für die Zeit, die Sie sich für unsere Anfragen genommen haben.
Für die Standesbeamten bleibt jetzt die Kernfrage: Wie weit sind sie an die Abnahmeverpflichtung der Ausschreibung vom Ministerium des Inneren gebunden. Des Weiteren ist zu prüfen, wie weit die Inanspruchnahme der Cottbuser Lösung für die Kapazitäten aller 175 Standesämter in Brandenburg tragbar ist, welche Kosten auf die Kommunen zu kommen und wie weit diese Lösung in Verbindung mit dem Vergabe- und Ausschreibungsrecht tragbar ist.
Passend dazu, versendete der Verlag für Standesamtwesen dieser Tage Angebote für die Lizenzerweiterung von Autista. Beachten Sie dabei, dass dieses Angebot nicht die kompletten Hostingkosten des Rechenzentrums beinhaltet, sondern lediglich die zusätzlichen Lizenzmodule des ePR-Servers für Autista, der Löwenanteil für das Hosting und die Bereitstellung von Autista im Rechenzentrum fehlt diesem Angebot.
Zwei Verlierer stehen dabei fest: Das Ministerium des Inneren, welches nach wie vor schweigt und die Standesbeamten und Standesbeamtinnen im Bundesland Brandenburg.
Unsere Empfehlung zur weiteren Verfahrensweise:
- Abwarten wie das Ministerium des Inneren in Brandenburg reagiert und ob die Standesämter von ihrer Abnahmeverpflichtung der Ausschreibung entbunden werden
- Anfordern eines verbindlichen Angebotes vom Rechenzentrum der Stadt Cottbus
- Einstellen von Haushaltsmitteln im Jahr 2012
- Anfordern von Angeboten von Rechenzentren für Personenstandwesen von anderen Ländern, um dem Ausschreibungs- und Verfahrensrecht gerecht zu werden
Wir bedanken uns noch einmal bei Herrn Böttcher vom Städte und Gemeindebund, parallele Anfragen beim Ministerium des Inneren und dem TUIV blieben unbeantwortet.
Kontakdaten Rechenzentrum Cottbus
Kommunales Rechenzentrum Cottbus
Eigenbetrieb der Stadt Cottbus
Berliner Straße 6
03046 Cottbus
Telefon: 0355 / 4949 7120
eMail: post@krz-cottbus.de