Interview mit Prof. Dr. Ralf Steinmetz

Am 14. Februar ernannte der hessische Wirtschaftsminister Florian Rentsch den Professor für Multimedia Kommunikation von der TU Darmstadt Prof. Dr. Ralf Steinmetz zum Beauftragten des Landes Hessen für Informations- und Kommunikationstechnologie. Die Ernennung erfolgt für zwei Jahre.

In einem Interview stand uns Herr Prof. Dr. Ralf Steinmetz für einige Fragen zur Verfügung.

Frage: Sehr geeehrter Herr Professor Steinmetz, sie wurden kürzlich zum hessischen Beauftragten für Informations- und Kommunikationstechnologie ernannt. Dazu möchten wir Sie herzlich beglückwünschen. Wie kam es zu dieser Ernennung und was bedeutet diese Ihnen?

Dr. Steinmetz: Das bedeutet für die TU Darmstadt und für mich selbst sehr viel. Ich bin tief im IKT-Bereich verwurzelt und beschäftige mich mit den entsprechenden Technologien, habe viele spannende Veränderungen miterleben dürfen, unter anderem seit 1996 als Leiter des Fachgebiets Multimedia Kommunikation an der TU Darmstadt. Seit Anfang 2013 gestalte ich auch als Sprecher des DFG-Sonderforschungsbereichs „MAKI“ zusammen in einem Team von über 25 Wissenschaftlern wesentliche Forschungsaspekte des sogenannten „Future Internet“.

Frage: Wo steht der IT Standort Deutschland? Man liest immer über Fachkräftemangel und fehlende Innovationen. Die Firmen bemängeln die schlechte schulische Ausbildung der nachkommenden Generation – einer Generation Computer-Spieler und Facebook-Nutzer. Wo kann man ansetzen, was gilt es anzupacken?

Dr. Steinmetz: Deutschland hat als IT-Standort weiterhin ein enormes Potenzial. Gerade Hessen, insbesondere die Region Rhein-Main-Neckar, hat mit unter anderem mehr als 10.000 Softwarefirmen eine hohe Dichte an bereits etablierten aber auch neuen, innovativen IT-Unternehmen. Die Financial Times Deutschland bezeichnete vor kurzem das Rhein-Main-Gebiet als Deutschlands „neues Silicon Valley“, mit optimalen Voraussetzungen für IT-Unternehmen. Ich denke, das ist ein toller und treffender Vergleich.
Mit der MINT Initiative werden besehende Defizite frühzeitig adressiert; dies muss verstärkt werden.

Frage: Es gibt einige Schlagworte, die die IT-Szene momentan dominieren. Ein Schlagwort ist eGoverment. Eine Floskel oder was muss man dort direkt angehen? Ein unpersönliche Verwaltung die komplett IT gesteuert arbeitet oder erhalten wir uns den menschlichen Faktor und müssen nicht alles technisch modernisiert umsetzen?

Dr. Steinmetz: Sie sprechen einen sehr wichtigen von bestimmt vielen aktuellen Schlagworte der IT-Szene an. Die Digitalisierung von bürokratischen Prozessen ist nur konsequent, wenn man bedenkt, wie selbstverständlich viele Bürger heute digitale Informations- und Serviceangebote nutzen. Innerhalb der Gesellschaft gibt es mittlerweile eine Erwartungshaltung, dass man beispielsweise seine Steuererklärung auch elektronisch erledigen kann. Das ist keine Revolution sondern nur ein „mit der Zeit gehen“.

Selbstverständlich ersetzen Maschinen keine Menschen, wenn es beispielsweise um eine persönliche Betreuung geht. Der Mensch wird und muss immer an erster Stelle stehen. Deswegen gilt es genau zu prüfen, welche Prozesse sinnvoll digitalisiert werden können und an welchen Stellen es Empathie und menschlichen Intellekt braucht. Ich denke, Mensch und Maschine sind nicht zwingend ein Widerspruch sondern können sinnvoll in Einklang gebracht werden.

Frage: Sie wurden für zwei Jahre berufen. Was kann man in dieser kurzen Zeit angehen und wo kann bzw. wo wollen Sie Impulse setzen?

Dr. Steinmetz: Zwei Jahre sind kurz und doch – so denke ich – kann man vieles bewirken und das möchte ich auch angehen. Ich verstehe meine Position als „Brücke“ zwischen Forschung und Anwendung, d.h. zwischen Universität und Wirtschaft. Das House of IT sei hier ebenso genannt wie eine intensive Interaktion mit erfolgsversprechenden Ausgründungen, die bei uns an der TU Darmstadt stattfindet. Das aktuellste Beispiel einer solchen Ausgründung ist die Fa. wer denkt was GmbH.

Ich arbeite stetig an der Exzellenz in der Wissenschaft. Als Sprecher des neuen DFG-Sonderforschungsbereichs „MAKI“ mit dem Schwerpunkt Future Internet an der TU-Darmstadt möchte ich meine Kompetenzen aus diesem Bereich auch in meine Rolle als IKT-Beauftragter des Landes Hessen einbringen.

Thematisch arbeiten wir intensive an ausgewählten Themenstellungen zukünftiger Kommunikationssysteme und Anwendungen; d.h. Overlay & P2P Networking , Sensor Networks, Service oriented Computing, Knowledge Media und Serious Games Ein wichtiges Themengebiet ist somit meines Erachtens das „Future Internet“, also neue Technologien, die das Internet von übermorgen prägen werden. Mein Wunsch ist es, dass Hessen als IT-Standort vorne mit dabei ist, wenn es um die Entwicklung dieser neuen Technologien geht.

Frage: Was ist Ihre Vision von der Zukunft im IT und Technikbereich? Muss jede Kaffeemaschine eine IPv6-Adresse habe und vom Handy ferngesteuert zu werden?

Dr. Steinmetz: „Müssen“ schon mal gar nicht. Technik wird immer erst durch einen Kontext sinnvoll, dann, wenn sie dem Menschen dient, und nicht zum reinen Selbstzweck existiert nach dem Motto „weil es funktioniert“. Deswegen ist es nicht nur unsere Aufgabe, neue Technologien zu entwickeln, sondern auch sinnvolle Anwendungsgebiete zu ermitteln und herauszufinden, an welchen Stellen digitale Technik dem Menschen auch wirklich weiterhilft und ihn in seinem Alltag unterstützt.

Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Steinmetz für die Zeit und die Beantwortung unserer Fragen.

Zur Person

  • geboren am 31. Juli 1956 in Santiago de Chile
  • promovierte 1986 an der TU Darmstadt zum Thema Modularisierte Petri Netze zur Beschreibung und Analyse nachrichtentechnischer Systeme mit vermaschten informationsverarbeitenden Strukturen
  • gründete 1999 das Hessische Telemedia Technologie Kompetenz-Center (httc e.V.)
  • seit 1996C4-Professur an der TU Darmstadt im Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik
  • seit Oktober 2001 Leitung Fachgebiet Multimedia Kommunikation an TU Darmstadt
  • Februar 2013 Ernennung zum Beauftragten des Landes Hessen für Informations- und Kommunikationstechnologie